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Antonije Zalica |
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Zum AutorSarajevo 1959: Antonije Zalica kommt in einer Theater- und Dichterfamilie zur Welt. Er studiert Vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie, schreibt für Rundfunk, Fernsehen und Bühne, veröffentlicht Gedichte und Kurzgeschichten und dreht Dokumentarfilme. 1992 ist Zalica Dramaturg am Theater und Programmanager beim Fernsehen. Seine vielversprechende Karriere wird wie das Theater und die Fernsehstationen vom Krieg zerstört. Er beteiligt sich an den Projekten von SAGA, einer Künstlervereinigung, die mitten im Krieg ein reduziertes Kulturprogramm aufrecht erhält, und dreht Dokumentarfilme. Amsterdam 1993: Ankunft in einem fremden Land. Zalica kann seine Film-, Theater- und Literaturarbeiten fortsetzen. Er ist Gastdozent an der Film- und Fernsehakademie Hilversum, seine Filme werden auf Festivals mit Preisen ausgezeichnet und seine literarischen Texte ins Niederländische übersetzt. Zalica verweigert sich jeder nationalen Schublade. Sein Familienhintergrund sei “österreichisch-ungarisch-tschechisch-montenegrinisch”. Früher habe er Serbokroatisch geschrieben, heute “Serbisch, Kroatisch, Bosnisch -- Balkan-Jiddisch eben”. Pressestimmen"Der Roman versagt sich jedes ‘Styling’ in Form und Sprache. Er kennt Ironie und Rhythmus, Metapher und Dialogführung. Aber er steht im Dienste von Menschen, und die haben Namen. Diese Namen klingen für uns fremd, aber der Autor stellt sie uns selbst dann noch vor, wenn er nur noch von ihrem Tod berichten kann. Sie kommen als unterschiedliche Menschen zu Wort und Ehren...Neben Dubravka Ugresic und Bora Cosic ist Antonije Zalica der dritte bedeutende jugolsawische Exilschriftsteller, der seine literarische Stimme gegen den Nationalismus und für die Menschen erhebt. Ein wichtiges Buch!" (Harald Loch, Mannheimer Morgen) Textprobe"Während ich eilig die Treppe hinunterging, betete ich ein Vaterunser und dann ein Ave Maria (genau so viel Zeit brauchte ich vom fünften Stockwerk bis zum Erdgeschoss), und wenn ich dann unten am Ende des Treppenhauses ankam und mich nur noch ein paar Meter Hausflur von der Straße trennten, blieb ich stehen, meist auf der zweiten oder dritten Stufe, und hielt mich am Geländer fest (wenn jemand käme, sähe es so aus, als hätte ich in der Wohnung etwas vergessen und sei am Überlegen). Dann wartete ich auf die Stimme des Engels und ganz gleich, wie wichtig die Sache war, die ich vorhatte, ob etwas sein "musste", selbst wenn ich versprochen hatte irgendwohin zu kommen, oder abgesehen von dem Trieb, der mich nach draußen zog - wenn ich nur ahnte, dass er "nein" sagen oder zögern würde, kehrte ich um. Wenn ich schon auf der Straße war, ließ ich meinen Engel den Weg wählen, und manchmal machte ich lange Umwege, schlich mich durch Hinterhöfe und Passagen, doch gehorchte ich stets. Ob er wohl immer Recht hatte? Ich weiß es nicht, ich habe nie versucht ihn auf die Probe zu stellen, und also lebe ich, hier und jetzt, und das will schon etwas heißen! Nur wenn ich in die Akademie für Bühnenkunst ging, um Brot zu backen, fragte ich den Engel nichts. Ich blieb nicht auf der dritten Stufe stehen, sondern bat ihn nur, mich zu beschützen, stürzte nach draußen, über die Straße, über die Brücke, hinten herum durch den Hof und - direkt hinein in die Akademie. Zu Hause waren mein zweijähriger Sohn und meine schwangere Frau, sie mussten essen. Dort in der Akademie gab es einen Ofen und als Brennmaterial verwendeten wir die Kulissen vom Theater. Als Erste musste die Kahle Sängerin dran glauben und dann verheizten wir die Holzrahmen und Requisiten einer Vorstellung, die Der Turm zu Babel hieß. In der Akademie lebten zu der Zeit ziemlich viele Leute. Im gleichen Raum war auch die Galerie Obala, d.h. Ufer, untergebracht. Da waren der Leiter der Galerie und seine Frau, eine Malerin, mehrere Schauspielstudenten, ein Bühnenarbeiter mit Frau und Kind, etliche versteckten sich vor der Einberufung, eine alte Frau, mehrere Flüchtlinge aus Grbavica und ein Regiestudent. Sie hatten sich gut eingerichtet und es war auch nicht langweilig. Jeden Tag kamen welche von uns, um Brot zu backen oder Reis zu kochen. Außer mir kam da noch die Schauspielerin Milijana mit ihrem Freund oder Mann, ich weiß nicht mehr, ein Architekt und ein Rock-Gitarrist. Ab und zu versammelten sich noch eine Menge mehr Leute dort, und manchmal konnte es sehr fröhlich zugehen. Eine Etage höher befanden sich die Pädagogische Akademie und ein verlassenes Chemielabor. Einmal gab ich zum Besten, wie wir beim Fernsehen den ganzen Alkohol ausgetrunken hatten, der zur Reinigung der Video-Köpfe bestimmt war..." |