Roman
2007

224 Seiten, Hardcover
D: € 22,00, A: € 22,70, SFR 35,60
ISBN 978-3-924652-35-7

E-Book: €10,99 ISBN: ... 69-2 (epub) ISBN: ... 59-3 (mobipocket)

Nava Semel
Und die Ratte lacht


Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler

Haben Erinnerungen eine Zukunft? Was geschieht mit ihnen, wenn die Menschen, die sich erinnern konnten, gestorben sind? Erinnerungen können viele Formen annehmen: Träume, Geschichten, Legenden, Mythen.
1999 bemüht sich eine israelische Schülerin, Hausaufgaben zu machen. Sie soll ihre Großmutter über deren Kriegserlebnisse in Polen befragen und darüber einen Aufsatz schreiben. Die Großmutter nimmt Zuflucht zu einer Legende: Die Ratte wünschte sich vom Schöpfer die Gabe des Lachens. Er gab nach, unter einer Bedingung: Wenn die Ratte eines Tages unter der Erde ein anderes Wesen lachen hört, dann wird auch sie lachen können.
Hundert Jahre später versucht eine Anthropologin, den Ursprung des Mythos vom Mädchen mit der Ratte zu ergründen. Dieser Mythos, der in vielerlei Formen überliefert ist - z.B. in Internet-Gedichten oder Comics -, lässt die Forscherin nicht los. Schritt für Schritt deckt sie seine Entstehung auf: Im zweiten Weltkrieg versteckten polnische Bauern gegen Geld ein jüdisches Mädchen. Sie sperrten es in ein Erdloch, wo sein einziger Gefährte eine Ratte war, mit der es sich anfreundete. Ein Priester nahm sich schließlich des Mädchens an und übergab es bei Kriegsende einer zionistischen Organisation.
Diese zeitlich weit auseinanderliegenden Handlungsstränge bündelt Nava Semel zu einem komplexen Ganzen. Souverän setzt sie die unterschiedlichsten Stilmittel ein und verfolgt in fünf großen Kapiteln die Metamorphosen der Erinnerung. Dank ihrer lebendigen, ausdrucksstarken Sprache wirkt der Roman mit seinen fünf großen Teilen wie aus einem Guss. "Und die Ratte lacht" ist ein bestürzendes, kühnes Werk, das sprachlich und inhaltlich neue Wege geht.

Buchentstehung
Vermittelt über unsere gemeinsame Freundin Marianne Schönbach, hatte Nava Semel mir eines Tages eine Mail geschickt und mir das Manuskript angeboten. Ich las es in der englischen Übersetzung und war sofort begeistert.


Zur Autorin

Nava Semel wurde 1954 in Israel geboren. Nach dem Studium der Kunstgeschichte widmete sie sich der Literatur. Sie schrieb Lyrik und Prosa, Drehbücher fürs Fernsehen, Theaterstücke und Hörspiele.
In Deutschland wurde sie vor allem durch ihre Jugendbücher bekannt. "Die Braut meines Bruders" stand 2004 auf der Auswahlliste des Deutschen Jugendliteraturpreises. Weitere Titel sind "Gerschona" (in der Neuauflage "Trauer, Hoffnung und Radieschen") und "Flugstunden". Der (Erwachsenen-)Erzählband "Gläserne Facetten" ist vergriffen. Nava Semel erhielt mehrere internationale Literaturpreise.
Die hebräische Originalausgabe von "Und die Ratte" lacht erschien 2001.
2005 hatte die gleichnamige Kammeroper, komponiert von Ella Milch-Sheriff nach dem Libretto von Nava Semel, in Tel Aviv Premiere. Von der Kritik hymnisch gefeiert, wurde die Oper inzwischen auch außerhalb Israels aufgeführt.

Weitere Informationen zur Autorin finden Sie auch auf der Webseite des ZDF doku kanals.

Pressestimmen

"Innovativ ist der Erzählstil, meisterhaft und subtil der Einsatz der unterschiedlichsten Stilmittel. Jedes Wort ist ein Schwert, das trifft!" Sharon Adler, www.aviva-berlin.de

"Nava Semel hat mit Hilfe der Erinnerungen der Großmutter, der Fragen der Enkelin, der anonymen Internetgedichte, des Tagebuchs und des Traumchips aus der Zukunft ein komplexes Ganzes erzählt, das anregt, selbst zu forschen, sich und andere zu fragen, die Metamorphosen der Erinnerung zu entdecken und zuzulassen." Gesine Strempel, RBB

"Nava Semels Buch raubt uns den Atem. Es zwingt uns in den Moment der größten und tiefsten inneren Stille, in dem die Worte, die Geräusche des Alltags und die so weit über dem Leben stehenden Heldengeschichten einmal schweigen und wir voller Andacht dem lauschen, was uns Menschen zu Ratten, was die Ratte so menschlich macht ... Ein schwieriges, ein abgründiges Thema, das Nava Semel mit großer Souveränität meistert." Brigitte Läufer

"Ein bestürzendes Werk, das sprachlich und inhaltlich neue Wege geht." www.wolfsmutter.com

Textprobe

"Eine große Stadt. Eine von vielen in Europa. Im Winter liegt hoher Schnee. Der See ist zugefroren. Zum Geburtstag bekam sie Schlittschuhe. In ihrem himmelblauen Cape fuhr sie im erlaubten Bereich, wo die Eisschicht ausreichend dick war. Die Leute sagten, es gebe Fische unter dem Eis. Sie sah keine.
Ein fünfjähriges Mädchen kann nicht alles mit seinen Sinnen erfassen.
Wer hielt ihre Hand, damit sie nicht fiel?
Ihr Vater. Auch ihre Mutter. Das Dienstmädchen? Vermutlich nicht. Das Dienstmädchen trug immer ihre Uniform: Ein dunkelblaues Kleid mit einem weißen Kragen und langen Ärmeln.
Oh ja. Das Dienstmädchen. Das scheint ein vielversprechender Anfang zu sein. Die Enkelin setzt sich gemütlich hin und breitet das Heft mit dem süßen Engel auf dem Umschlag auf ihren Knien aus. Das ist es, was sie sich vorgestellt hat: alles, was man für eine Geschichte braucht, sogar ein Dienstmädchen."