Novellen
1990

184 Seiten, engl. Br.
D: € 15,00, A: € 15,50, SFR 27,50
ISBN 3-924652-15-5

Torbog Nedreaas
Hinter dem Schrank steht die Axt


Aus dem Norwegischen und mit einem Nachwort von Marie-Theres Mächler

Die Novellen handeln alle von der Kriegs- und Besatzungszeit. Doch Torborg Nedreaas beschreibt nicht die großen Heldentaten. Was in ihren Erzählungen zur Sprache kommt, ist der alltägliche Kampf und das Leiden, die Hoffnungen und Ängste von Menschen, die in keinem Geschichtsbuch und in keiner Chronik erwähnt werden, und die ganz unterschiedlich auf die Bedrohung des Krieges und die ständige Präsenz der deutschen Besatzer reagieren. Torborg Nedreaas urteilt und richtet nicht und entschuldigt nichts; was sie schafft, sind dichte psychologische Porträts, die zeigen, daß das eigentliche Drama, das seinen Ursprung in den äußeren Gegebenheiten des Krieges hat, seelischer Natur ist und im Innern des Menschen stattfindet." (Aus dem Nachwort von Marie-Theres Mächler)

Buchentstehung
'Hinter dem Schrank steht die Axt' war 1945 das literarische Debüt Torborg Nedreaas'. Das Buch löste einen Skandal aus: Die Autorin, selbst im Widerstand aktiv, hatte es gewagt, Liebesbeziehungen zwischen deutschen Soldaten und Norwegerinnen zu beschreiben. Mich machte Gabriele Haefs auf diese Autorin aufmerksam.


Zur Autorin

Torborg Nedreaas (1906-1987) gilt in Skandinavien als moderne Klassikerin. Sie schrieb Romane, Novellen, Hörspiele, Essays und Gedichte. Ihre Werke wurden in viele Sprachen übersetzt.

Pressestimmen

"Diese Erzählungen der Norwegerin Torborg Nedreaas fallen auf durch einen unerhörten Frauenton, durch eine verblüffende Aggressivität, zupackendes Schildern, fast immer sind es Frauen, die initiativ werden, in sieben der zwölf Geschichten geht es um die sogenannten, Deutschen-Dirnen -- als das Buch 1945 erschien, war das ein Skandal, in Norwegen war man, nach der Befreiung, gewöhnt, schwarzweiß zu malen, in verständlicher, in patriotischer Wut gegen die vertriebenen Besatzer. In der Texten der Nedreaas aber wurde differenziert, bekam jeder Fall sein eigenes Recht, jede Frau ihre besonderen Schattierungen. Und im übrigen -- fünfzig Jahre danach scheint es beinahe egal, ob es da um Verhältnisse ging zwischen Besatzern und jungen norwegischen Frauen, inzwischen bekommen diese Schilderungen etwas Repräsentatives, die forsche, oft geradezu freche Gangart der Frauen gegen die geliebten aber beherrschenden Männer sehen nun aus wie ein Aufruhr gegen eine Besatzung, die auch anderswo, die weltweit Verbreitung fand." (Jürgen Lodemann, Allmende)

Nedreaas zeichnet keine Schwarzweiß--Figuren, ihr geht es vor allem um die Menschen, mögen es nun Norweger, Deutsche oder Juden sein. Ihr Augenmerk richtet sie auf eine Grauzone, in der nicht alle Deutschen Nazis und beileibe nicht alle Norweger Widerstandskämpfer sind. Die Verfasserin beweist viel psychologisches Einfühlungsvermögen. Man spürt, wie sehr die Besatzungszeit der jungen, sensiblen und sprachgewandten Schriftstellerin naheging; dennoch bemüht sie sich redlich, Distanz und Objektivität zu wahren. Dies mag ihr um so schwerer gefallen sein, als sie nach den Rassebegriffen der Nazis und auch Quislings gar nicht einwandfrei ‘nordisch’ war, hatte sie doch eine jüdische Großmutter. War das Buch 1945 ein Ärgernis für die patriotischen Norweger, so ist auch heute noch der intellektuelle Mut der ‘Schwalbe des Nordens’ zu bewundern." (Reuven Assor, Israel-Nachrichten, Tel Aviv)

Textprobe

"Jemand wollte sich vorbeidrängen und steckte fest. Ein Körper, der sich gegen ihren preßte, warm und kräftig. Schüchtern schielte sie nach oben, sah nur dunklen Stoff. Er steckte fest, eingezwängt zwischen ihr und jemand anderem -- ein goldenes Achselstück blitzte unter dem Mantel hervor. Pfui aber auch, das war ja schrecklich. So eng an ihr dran. In ihr bildete sich ein Schrei, der Feind, der Feind. Sie sah eine Hand, eine braune, sehnige Hand und gelbe Ränder am Ärmel. Diese Hand, o Gott. Ein heißer Strom durchfuhr sie schwindelnd, jetzt schob er sich langsam vorbei. Eine warme Masse aus Stoff und Muskeln. Nun sah sie den Nacken, einen braunen Nacken und das Ohr. Ein dreieckiges Tierohr, ein kleines Haarbüschel. Aber sie schaute ihn überhaupt nicht an, nein, sie übersah ihn vollkommen, aber sie sah ein dreieckiges Tierohr, es lag etwas wie brutaler Hohn in ihm. Und sie sah, daß die Augen tief lagen und der Mund schmal und fest war. Und die Hand. Eine gierige Männerhand, zärtlich und brutal. Nein, zärtlich? Uff. Nun setzte er sich, sah sich mit einem kleinen Lächeln um. Margarethes Atem ging kurz, ihr war schwindlig." (Backfische I)