Ein Spiel in 5 Szenen
1987

114 Seiten, engl. Br.
D: € 10, A: € 10,30, SFR 19
ISBN 3-924652-07-4

Dosio Koffler
Die deutsche Walpurgisnacht


Mit einem Nachwort von Karl Riha

Goethe, Schiller und Nietzsche fahren aus dem Grabe auf, um unter Führung von Mephisto das Dritte Reich zu besuchen. Was sie da zu sehen und zu hören bekommen, ist selbst Mephisto zu grausig. Das Werk steht in der Tradition “dritter Walpurgisnächte”, die sich “von Christian Dietrich Grabbe, Karl Leberecht Immermann und Heinrich Heine Öber Friedrich Theodor Vischer ins zwanzigste Jahrhundert -- zu Arno Holz, Thomas Mann und Karl Kraus -- verfolgen läßt." (Aus dem Nachwort von Karl Riha)

Buchentstehung
Karl Riha, der Herausgeber, hatte mir eine Neuauflage dieses singulären Exilwerkes vorgeschlagen. Es ist eines der wenigen Bücher, die zu Kriegszeiten ins Englische übersetzt wurden, wie es in der englischen Ausgabe heißt: ‘... whilst London is being shaken by German bombs.’ Der Autor starb arm und krank und vergessen. Ich hatte noch Gelegenheit, seine Lebensgefährtin Hilda E. Herzer kennen zu lernen.


Zum Autor

Dosio Koffler (1892-1955) lebte in Berlin und Wien, wo ihn besonders Karl Kraus anzog. Exil über Prag nach London. Dort schloß er sich der “Gruppe unabhängiger deutscher Autoren” um Kurt Hiller an. Verfasser von Satiren wie “Wilhelm II” und “Liebesinsel” sowie von Filmdrehbüchern.

Pressestimmen

"Ein kleines Meisterwerk deutscher Exilliteratur feiert Wiederauferstehung ... Was sich bei Kraus, der den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht erlebte, als geniale Prophetie ausnahm, entstand bei Koffler aus eigener Erfahrung. Seine Walpurgisnacht ist keine Nachahmung, sondern eine Fortschreibung des gleichen Stoffes mit eigenen ästhetischen Mitteln und eigenen satirischen Motiven." (Hajo Steinert, Die Weltwoche)

"Ein Buch, das zu den seltensten Schätzen gehüren dürfte, die aus dem deutschen Exil zu heben waren, Dosio Kofflers Die deutsche Walpurgisnacht ... Sie hätte längst als Hörspiel, aber auch als Bühnenstück Premiere haben müssen." (Jürgen Lodemann, Allmende)

Textprobe

"MEPHISTO mit beiden Herren auftretend: Gratuliere, Herr Professor, zum so hoffnungsvollen Start Ihrer irdischen Visite! Die beiden Herren hier, aus gleichem Ursprung und mit gleichem Reiseziel, freuen sich der Ehre: Herr Geheimrat von Goethe --
NIETZSCHE: Goethe? Goethe ist in der Geschichte der Deutschen ein Zwischenfall ohne Folgen.
GOETHE: Ihr Ausspruch schmeichelt mir und betrübt mich zugleich; ich hoffe, daß er nicht immer gelten wird.
MEPHISTO: Und Herr Hofrat von Schiller --
NIETZSCHE griesgrämig: Schiller gehört zu jenen Deutschen, die uns mit glänzenden Prunkgebärden der Tugend und dem Kommandotone der Kantischen Moral in diese Sackgasse der kulturwidrigsten Krankheit, in den Nationalismus hineingeritten haben. Es tut wenig zu Ihrer Entlastung, Herr von Schiller, daß Ihre entarteten Landsleute die alte ordentliche Leier mit gefälschtem Öl geschmiert haben.
GOETHE: Das unserm teuern Schiller? Ist das nicht ein wenig ungerecht?
Denn hinter ihm, in wesenlosem Scheine,
Liegt, was uns alle bändigt, das Gemeine.
SCHILLER stammelt verlegen: Ich kann mich gewiß nicht rühmen, Herr Professor, den Deutschen einen so desillusionierenden Spiegel vorgehalten zu haben wie Sie; dafür aber hab ich meinen entarteten Landsleuten auch keine Hinterpforten gelassen, durch die ich als Prophet und Wegbereiter des Saustalls gar bis in die Verehrung seitens des Erben Ihres Spazierstocks eingegangen wäre.
NIETZSCHE: Hinterpforten in meinem kristallenen Lebenswerk? Wohl redet dieses von meinen Überwindungen: ein Philosoph braucht und verbraucht Überzeugungen -- er darf, ja er soll das, vorausgesetzt, daß sich die Redlichkeit als roter Faden durch all die Überwindungen schlingt.
SCHILLER: Das Führerprinzip bei der Auslese der Besten --
NIETZSCHE: Wenn ich ausdrücklich der Besten sage, wieso machen Sie mich für die Auslese der Schlechtesten verantwortlich?"