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Lili Körber
Die Ehe der Ruth Gompertz
Der dokumentarische Roman beschreibt das Leben der jüdischen Schauspielerin Ruth Gompertz vom
Sommer 1932 bis April 1933. Ihr Alltag, die Arbeit am Theater und ihre Ehe mit dem ehrgeizigen "arischen"
Arnold sind dem zunehmenden Terror des NS-Regimes ausgesetzt. Sie muß die Vernichtung ihrer beruflichen
Existenz erleben und erkennen, daß ihrem Mann die Karriere wichtiger ist als ihre Liebe.
Buchentstehung
Dieser Roman war eines der ersten Bücher gegen Hitler. Richard Lányi brachte ihn 1934 in Wien unter dem Titel 'Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland' heraus, wo er in einem Zensurprozeß verboten wurde.
Der mutige Buchhändler und Verleger Lányi konnte sich nicht ins Exil retten und wurde von
den Nationalsozialisten ermordet.
Die erste Veröffentlichung in Deutschland unternahm der persona verlag 1984.
Bei Recherchen im Exilarchiv der Deutschen Bibliothek (Frankfurt) stieß ich auf eine Anzeige, in der das Buch
beworben wurde, meine Neugier war geweckt. Mangels aktuellerer Daten, schrieb ich an Lili Körbers alte Adresse aus den sechziger Jahren in New York.
Postwendend antwortete Lili Körbers Mann, Eric Gravé. Auf seinen Wunsch
änderten wir den Titel. Der Roman liegt in der zweiten Auflage vor.
Zur Autorin
Lili Körber wurde 1897 in Moskau geboren. 1920 bis 1938 lebte sie meist in Wien. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin wandte sich vorwiegend sozial-politischen Themen zu. Berühmt wurde sie 1932 mit dem Buch Eine Frau erlebt den roten Alltag, das ihre Erfahrungen in einer sowjetischen Traktorenfabrik schilderte. Nach der Jüdin schrieb sie politische Reportagen für die Exilpresse und dokumentarische Romane über ihre Reisen in den fernen Osten. 1938 konnte sie nach Frankreich und 1941 in die USA flüchten. Lili Körber starb 1982 in New York.
Pressestimmen
"Einer der ersten und bemerkenswertesten antifaschistischen Romane." (Josef Haslinger, Wespennest,Wien)
"Ein eindrucksvolles zeitgeschichtliches Werk." (Brigitte Galanda, AUFBAU, New York)
"Ein ausgezeichnetes Dokument des Zeitgeschehens durch die lebensechte Darstellung von Schicksalen in der Zeit vom Sommer 1932 bis April 1933." (Hermann Lewy, Allgemeine Jüdische Wochenzeitung)
"Als das Buch Anfang 1934 in Wien erschien, war es eine Sensation und wurde zu einem Bestseller. Schonungslos und offen beschrieb der Roman in eindrucksvoller, plastischer und authentischer Form die ersten Wochen nach der ,Machtergreifung' in der Form einer Biographie der jüdischen Schauspielerin Ruth Gompertz ... Es ist sicherlich ein Verdienst des Verlages, diesen klassischen Roman dem heutigen Leser wieder erschlossen zu haben." (Reuven Assor, Mitteilungsblatt des Irgun Olei Merkas Europa)
"Lili Körber eignet eine ungewöhnliche Gabe der Charakterzeichnung, der psychologischen Durchleuchtung der Verhältnisse. Ein Buch der Erkenntnis." (Hans Kühner, Jüdiche Rundschau (Basel))
Textprobe
Und wirklich, es gibt noch Wunder auf der Welt...Kaum, daß die
Eingangstür zuschlägt, Arnolds helle Stimme: 'Ist meine Frau zu
Hause?' Genau wie früher...Ach, was für Glück! Ruth hängt an
Arnolds Hals, zerrt ihn am Schopf, lacht vor Wiedersehensfreude,
als sei er weggewesen...Und auch er lacht, ruft: 'Au!', hebt sie
in die Höh', schaukelt sie hin und her...Der alte Ton ist
wiederhergestellt. Und dann sagt Arnold ernst - so ernst er
kann: 'Also denk dir, Maus, die große Neuigkeit: ich werde
wahrscheinlich Direktor bei Böller & Co. Haste 'ne Sprache,
Mensch?' Nein, sie hat keine Sprache. Tüchtig ist Arnold ja -
zumindest nimmt sie es an, versteht ja von seinem Fach ebensowenig
wie er von dem ihrigen. Aber, daß es so plötzlich gekommen ist?
'Ist ja gar nicht plötzlich gekommen, Maus. Der Direktor sollte
schon längst entlassen werden. Die Zeiten sind jetzt nicht mehr so,
daß Juden deutsche Firmen vertreten können. Und die Böllers sind
überhaupt Antisemiten - Göring ist judenfreundlich dagegen, auf
Ehre. Na, das finde ich aber übertrieben, habe ich ihm gesagt, das
ist der einzige Punkt, in dem ich mit unserem Führer nicht ganz
mitgehen kann, und er darauf...' 'Wer denn - er?' 'Ja, richtig, du
weißt ja noch gar nichts. Also der Böller junior, der Sohn vom
Oberbonzen, ist bei Herberts Sturm, und Herbert hat ihm von mir
erzählt, weil sie junge Kräfte suchen, die alten Onkels haben alle
den Kopf voller liberalistischer Ideen oder sind bestensfalls deutschnational.
Der alte Böller nicht. Ist ein patenter Kerl, ein
firmer Bursch, wie man in Wien sagt. Gestern abend war
ich bei ihm zu Besuch. Eine Villa, Maus, die solltest du
dir anschauen, wirst wahrscheinlich bald die Gelegenheit
dazu haben. Als die ersten Wahlresultate verkündet wurden, ließ er Schampus aus dem Keller holen...Darauf haben wir gleich angestoßen. Und wie ich dann weggehe, klopft er mir wieder auf die Schulter und sagt: 'Aber nicht vor Mai! Zuerst muß ich den Alten auf anständige Weise loswerden! Und noch eins, mein Sohn: Sie sollen unbedingt zur SA! Nicht abseits stehen, Deutschland braucht junge Männer, wie Sie einer sind!' Darauf habe ich ihm die Hand gegeben. Ein Mordskerl, wie man in Wien...ja, was hast du denn, Maus?... Ja, um Himmels willen, Frau Müller...'
Frau Müller läßt fast die panierten Schnitzel fallen,
die sie eben hereinträgt, und den grünen Salat, den
Arnold ungezuckert bestellt hat, wie Arnold es von Wien
aus gewöhnt ist...sie stützt Ruth, die käsebleich sich
Arnolds Hilfe entzieht: 'Es ist nichts, wirklich nichts,
es vergeht gleich...' Und plötzlich wird Frau Müller
energisch und sagt: 'Nur een Oojenblick hinlejen',
führt Ruth ins Schlafzimmer, wehrt energisch ab, als
Arnold auch hinein will. Ahnt sie etwas? Sie flüstert
so mütterlich, indem sie Ruths Füße mit einem Plaid
zudeckt: 'Müssen sich nich alles jleich so zu Herzen
nehmen, Frau Borchardt.' Und Ruth hält ihre Hand
zurück, ihre von der Arbeit angeschwollene, harte Hand und sagt mit zitternder Stimme: 'Er bekommt die Stelle eines entlassenen Juden und soll in die SA eintreten, Müllerchen...' Darauf weiß die Alte nichts zu erwidern, für so was jibts keene Trostworte nich...
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