Briefe
Herausgegeben von Egon Larsen
1985

104 Seiten, engl. Broschur
€ 9, SFr 10,90
ISBN 978-3-924652-03-6
vergriffen

Clara Grunwald
Und doch gefällt mir das Leben
Die Briefe der Clara Grunwald 1941-1943


Die Lehrerin Clara Grunwald (1877-1943) war eine Vorkämpferin der Montessori-Pädagogik in Deutschland. Auf ihre Initiative wurde 1924 in Berlin das erste "Volkskinderhaus" gegründet. Nach dem Entzug der Lehrberechtigung durch die NS-Behörden widmete sie sich der Beratung junger Juden bei der Auswanderung nach Palästina. Ab 1941 arbeitete sie im landwirtschaftlichen Umschulungsheim Neuendorf. Als 1943 die Belegschaft deportiert wurde, schloß sie sich dem Transport "ihrer" Kinder nach Auschwitz an, obwohl sie in Theresienstadt eine Überlebensmöglichkeit gehabt hätte. Die vorliegenden Briefe schrieb Clara Grunwald aus Neuendorf an eine Freundin. Sie sind ein erschütterndes Dokument menschlicher Haltung. Egon Larsen würdigt in seiner Einführung ihr pädagogisches Wirken und zeichnet ihren Lebensweg nach.

Buchentstehung
Der Herausgeber, Egon Larsen, hatte mir dieses Buchprojekt vorgeschlagen. Er war seit langem im Besitz der Briefe Clara Grunwalds.
Da wir heute wesentlich mehr über Clara Grunwald wissen als damals 1985, halte ich einen unveränderten Nachdruck der vergriffenen Ausgabe nicht für sinnvoll.

Zur Autorin

Die Lehrerin Clara Grunwald (1877-1943) war eine Vorkämpferin der Montessori-Pädagogik in Deutschland. Auf ihre Initiative wurde 1924 in Berlin das erste "Volkskinderhaus" gegründet. Nach dem Entzug der Lehrberechtigung durch die NS-Behörden widmete sie sich der Beratung junger Juden bei der Auswanderung nach Palästina. Ab 1941 arbeitete sie im landwirtschaftlichen Umschulungsheim Neuendorf. Als 1943 die Belegschaft deportiert wurde, schloß sie sich dem Transport "ihrer" Kinder nach Auschwitz an, obwohl sie in Theresienstadt eine Überlebensmöglichkeit gehabt hätte.
In Berlin heißt eine Schule nach ihr, und im Berliner Bezirk Friedrichshain erinnert in der Scharnweberstraße eine Gedenktafel an sie. Verschiedene pädagogische Publikationen würdigen Clara Grunwald.

Pressestimmen

"Mit Recht vergleicht der Herausgeber den Fall Grunwald mit dem des polnischen Arztes und Pädagogen Janusz Korczak. Egon Larsen hat ein Stück abseitiger, aber wichtiger Zeitgeschichte enthüllt. Sein Buch verdient eine große Leserschaft." (Will Schaber, AUFBAU, New York)

"Diese Briefe sind Zeugnisse von einem Leben unter großen Entbehrungen, überschattet von der Angst vor Deportation. Sie enthalten keine politischen Analysen, sondern nur verschleierte Andeutungen; alle Sorgen und Nöte aber überstrahlt Clara Grunwalds Lebenszuwendung." (Sylvia Patsch, ORF)

"Erschütternd nicht allein wegen der darin anklingenden verschlüsselten Mitteilungen über Greueltaten der SS, sondern auch wegen des ungeheuren Lebensmutes, mit dem hier eine einzelne gegen die Wand des Schreckens angeht." (Mannheimer Morgen)

Textprobe

Meine liebe Freundin, ich muß Dir etwas sehr Trauriges mitteilen: einige 60 Menschen, ein knappes Drittel, haben gestern fortfahren müssen und werden heute, Karfreitag, um Mitternacht nach Polen verladen. Bis auf eine Frau, die sich immer nervenschwach und hysterisch gezeigt hat, waren alle so würdig und gefaßt, daß einem dabei das Herz noch schwerer wurde. Alle wurden sofort von der Arbeit befreit, damit sie ihre Sachen richten und packen konnten; die anderen traten für sie ein, damit der Betrieb nicht zum Erliegen kam; und viele, die auf Außenarbeit mußten, arbeiteten nachts im Betrieb. Da zum größten Teil die älteren Leute betroffen waren, die wir sowieso nur im Innenbetrieb verwenden, war er vom allergrößten Teil der Arbeiter entblößt. So blieb in der Wäscherei nur eine junge Frau übrig. Es muöte aber unbedingt noch für die Fortgehenden gewaschen werden, besonders die Bettwäsche. Sieben junge Mädchen meldeten sich freiwillig. Sie haben zwei Nächte gewaschen und sind an beiden Tagen in der Fabrik gewesen ... Am Mittwoch kam Dein Päckchen. Ich wollte mit den Sachen zu dem jungen Mann bei der Kleiderkammer gehen, bei dem abgegeben wurde, was einer mehr besaß, als mitzunehmen erlaubt war, und bei dem sich diejenigen zu melden hatten, die nicht so viel besaßen, wie nötig war. Unterwegs traf ich ein sehr nettes Mädchen, das ich kenne. Sie machte große Augen, als ich von Arbeitshosen sprach. Ich nahm sie mit zurück; wir probierten Hose und Weste an, es saß großartig, und auch die Einlagen für die Stiefel paßten...Du kannst Dir von der Totenstille, die heute herrscht, keine Vorstellung machen, und dabei geht niemand auf Außenarbeit; alle Menschen sind hier, aber du hörst kaum ein Wort. (Brief vom 3. April 1942)