Autobiobibliographie
2002

128 Seiten, Hardcover
D: € 14,50, A: € 15,00, SFR 26,50
ISBN 3-924652-30-9

Annie François
Buchgeflüster


Aus dem Französischen von Marianne Schönbach

Wo tun Sie es am liebsten? Im Bett? Am Tisch? Am Strand? Und wie steht's mit der Beleuchtung? Die bekennende Bibliophagin Annie François braucht ihre Dosis auch morgens um vier, denn sie ist eine manisch-epikureische Leserin. Das Rascheln beim Umblättern berauscht die Autorin ebenso wie der zarte Mandelduft einer Klebebindung. Sie sinniert über das Ver- und Ausleihen der Kultobjekte, über die Frage, welches Buchformat zu welcher Lesegelegenheit passt sowie darüber, was mit den Bibliotheken passiert, wenn sich Paare zusammentun und trennen. Kopfzerbrechen bereitet die Frage des Ordnungssystems: lieber alphabetisch (fragwürdige Nachbarschaften!) oder thematisch? "Jede Ordnung ist gerade in diesen Bereichen nichts als ein Schwebezustand überm Abgrund", hat Walter Benjamin erkannt. Wie wählt man seinen Lesestoff aus? Soll man eher Freunden trauen oder den Kritikern? Welche Bücher nehmen wir mit, wenn wir verreisen? Manche Bücher begleiten uns ein Leben lang, andere reißen uns nur vorübergehend mit, und dann sind da noch Wörterbücher und Nachschlagwerke ... Annie François schildert vergnüglich alle Freuden, aber auch die Leiden eines Lebens, das ganz aufs Buch gestellt ist. "Es gibt nur sehr wenige Situationen jedes menschlichen Lebens, in denen man keine Bücher lesen kann, könnte, sollte...", hat Kurt Tucholsky festgestellt. "Buchgeflüster" ist die Lektüre für alle, die ebenso empfinden.

Buchentstehung
'Buchgeflüster' ('Bouquiner') erschien 2000 bei Seuil und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Die deutsche Ausgabe verdankt sich der Vermittlung der Übersetzerin Marianne Schänbach, die mir den Titel vorschlug. Wir hatten bereits bei der Ausgabe der 'Kundin' von Pierre Assouline zusammen gearbeitet.


Zur Autorin

Annie François, 1944 geboren, lebt in Paris, wo sie als Verlagslektorin arbeitet. "Buchgeflüster" ("Bouquiner") ist ihr erstes Buch, das von der französischen Presse begeistert aufgenommen wurde.

Pressestimmen

"Lesen Sie Bouquiner und Sie werden sich weniger einsam fühlen, wenn Sie an die Bücherberge denken, die peu à peu in ihre Wohnung eingedrungen sind und vielleicht Ihr ganzes Leben dominieren." (Jean Chalon, Le Figaro)

"Auch wenn dieses Enthüllungsbändchen kein Lexikon ist, es hat durchaus Qualitäten eines Standardwerks über die Psychopathologie des Alltagslebens unter besonderer Berücksichtigung des Bücher-Haushalts. Ob es nun um Lesezeichen oder ums Verleihen geht, ums Herumstöbern, um Gerüche, Exlibris, Mundpropaganda, Aufräumen oder Kultbücher und Bildungslücken - es ist alles drin. Auch der infizierte Fachmann findet noch manch Neues..." (Joachim Hemmerle, Mannheimer Morgen)

"Man findet hier mit augenzwinkernder Hyperbolik so ziemlich alles abgehandelt, was Lesers Lust und Leid ausmacht: den Geruch von Büchern, die optimale Körperhaltung zum Lesen oder das Dilemma, in welches Bibliophile geraten, wenn sie ein Buch ausleihen sollen. Dem oft prophezeiten Ende der Lesekultur wird hier beherzt entgegengetreten." (tog, Die Weltwoche/ Zürich)

Textprobe

"Um es vorneweg zu sagen: Bücher zu verleihen, ist ein Problem. Man muss das Buch von anstößigen Stellen befreien, den Umschlag abnehmen, Sand herausschütteln, es seiner gewohnten Umgebung, dem Regal, entreißen und es in die Fremde schicken. Zwei Varianten des Verleihens lassen sich unterscheiden: das erbetene und das spontane. Wer hat noch nie mit Argusaugen jenen neugierig suchenden Blick beobachtet, den Finger, der sich langsam an den Buchrücken entlangtastet, um plötzlich Halt zu machen. Da. Das Buch ist verurteilt. Man wird es nie wieder sehen. Das Herz schnürt sich einem zusammen. Nicht das. Bitte nicht an den, nicht an die, die geben doch nie wieder was zurück oder erst Gott weiß wann. Eines Tages habe ich zu lügen gewagt: 'Tut mir Leid, das hat mir jemand geliehen.' 'Aber nein, es gehört dir. François hat eine Widmung hineingezeichnet.' Mit hochrotem Kopf gab ich nach. Peng. Ich selbst habe ihm den Gnadenstoß verpasst. Dann bleibt einem nur, das Buch mit unbewegter Miene herauszunehmen, es durchzublättern und von seinen armseligen kleinen Geheimnissen zu befreien. Sand rieselt heraus, ein Blütenblatt zerfällt, ein 500-Francs-Schein flattert davon. Toll. Aber die im Buch sonst noch versteckten Ersparnisse sind verloren. Und wie schaffe ich es, die bösen Bemerkungen auf der letzten Seite zu entfernen? 'Eine Sekunde, ich muss mir nur schnell ein Zitat rausschreiben.' Todunglücklich ziehe ich mich zurück; mit seziermesser-hafter Präzision trenne ich die letzte Seite heraus. Dieser Appendix, diese kleine zerknüllte Kugel aus Kummer wandert in den Mülleimer. Später am Abend werde ich sie wieder herausfischen, um sie woanders hinzustopfen, bevor ich sie nach der Gnadenfrist von nur einer Nacht für immer entsorge."