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Ruth Berlau
Jedes Tier kann es
Die Liebe zwischen Frauen und Männern ist das durchgängige Thema dieser witzigen und bitterbösen Erzählungen, allerdings mehr ihre Unmöglichkeit als ihr Gelingen. Denn jedes Tier kann es, aber die Männer können es nicht mehr: eine Frau umarmen. Ein feministisches Buch avant la lettre.
Auch als Hörbuch, gelesen von Judith Steinhäuser: www.hoerkultur.com
Buchentstehung
Die dänische Originalausgabe erschien 1940 in Kopenhagen unter dem Pseudonym Maria Sten.
Nachdem 1985 Hans Bunges Buch über Ruth Berlau erschienen war, machten mich Freunde
darauf aufmerksam, dass Ruth Berlau Bücher geschrieben habe - Jedes Tier kann es und zuvor den Roman Videre -, ob das nicht
etwas für mich sei? Gesagt, getan. Ich nahm Kontakt zu Ruth Berlaus Erben auf, und die erste deutsche Ausgabe kam heraus, inzwischen in der dritten Auflage. Es ist personas Bestseller!
Zur Autorin
Ruth Berlau (1906-1974) stammt aus Kopenhagen. Sie war Schauspielerin, Übersetzerin,
Dramaturgin und Journalistin. Als Brecht mit seiner Familie "unter das dänische Strohdach"
flüchtete, öffnete sie ihm Türen und übersetzte seine Gedichte. Für Ruth Berlau war
Brecht die Liebe ihres Lebens. Im Exil in den USA gestaltete sie Radiosendungen für dänische Hörer
Nach dem Krieg dikumentierte sie Brechts Theaterarbeit in unzähligen Fotografien. Die Bezeichnung
“Berliner Ensemble” geht auf sie zurück. Ruth Berlau starb in Berlin. Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof
liegt sie ganz hinten an der Mauer begraben.
Pressestimmen
"‘Aufschreiberin’ wollte Ruth Berlau sein. Und so verschieden in der Form ihre Geschichten auch sind, absurd auf den allerersten Blick, alle sind erfundene Berichte aus dem wirklichen Leben. Auch die Sprache dieser Texte ist kunstvoll in ihrer Kunstlosigkeit. Lakonisch werden Sätze aufgereiht wie Perlen, und staunend stellt man fest, dass man aufwendige Bilder und rhetorische Finessen gar nicht vermisst. Denn der Lapidarstil der Berlau ist genau kalkuliert... Ein ‘Frauenbuch’ nannte Brecht den dänischen Band 1942 in einem Brief... Dieses Frauenbuch kann auch Männern empfohlen werden. Aber Vorsicht: Mann fühlt sich leicht entlarvt." (Reinold Schmücker, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt)
"Berlaus Erzählungen beeindrucken nicht nur durch treffende Episoden, die die
abgrundtiefe Banalität männlicher Sexualität widergeben, und durch ihre erfrischend unverblümte, freche Sprache, sondern auch durch die ironische Thematisierung des so häufigen Zusammenhangs von Geld und Liebe." (Gabriele Raether, Die neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte)
Textprobe
Ihr habt von den Männern erzählt, die euch geheiratet haben, und
ich kann von den Männern erzählen, die mich nicht geheiratet
haben. Ich habe genug gehabt. Wenn man das überhaupt ‘haben&lrquo;
nennen kann, aber man sagt ja auch ‘einen Schnupfen haben’.
Man kann ein paar Mal im Jahr einen Schnupfen haben, es ist
jedes Mal ein anderer, und doch ist er immer gleich. Deshalb
muß ich lachen, wenn ich euch “mein” sagen höre. Denn sie sind
doch alle gleich, so wie null und null auch gleich sind. Sicher,
sie haben unterschiedliche Schnurrbärte, Berufe und Laster, aber
das, worin sie alle gleich sind, ist: Sie funktionieren nicht.
So hat die eine vielleicht einen vortrefflichen Mann, der nicht
funktioniert, und eine andere einen miserablen Mann, aber wozu
lange darüber reden? Es gibt keinen Unterschied. Sie laufen mit
so hoch erhobenen Köpfen durch die Welt, daß sie einen Schuhlöffel
brauchen, um den Hut aufzusetzen, aber sie funktionieren nicht.
Sie können die natürlichste Verrichtung der Welt nicht ausführen.
Jedes Tier kann es, aber sie können es nicht mehr. Das kommt
daher, daß sie Hornhaut an den Fingern haben vom Geldzählen,
und sie betrügen mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der
sie atmen, so daß sie einfach betrügen müssen, auch wenn es sie
etwas kostet. Sie haben die erstaunlichsten Dinge erfunden, Telephon, Telegraphie, sogar drahtlos, damit sie sich besser
gegenseitig betrügen können. Sie unterziehen sich jahrelangen
Ausbildungen, um kunstvolle Manipulationen zu lernen, wie sie sich gegenseitig das Geld
aus der Tasche ziehen können. Sie fliegen über die Meere,
um sich gegenseitig zu verfolgen. Wie sollten sie es da
fertigbringen, ihre Frauen nicht zu betrügen, zumindest
nicht um ihr Lebensglück? Ja, sie beherrschen alle
möglichen Apparate, aber eine Frau umarmen, das können
sie nicht mehr.
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